Best Practice

Reichenauer Inselbier – Visionen für mehr Regionalität und Nachhaltigkeit oder wie ein junges kreatives Startup auf Kooperationen und Beteiligung der Öffentlichkeit setzt

01.09.2021 - Die Brauwerkstatt der Klosterinsel Reichenau hat sich inzwischen in der Bodensee-Region und auch darüber hinaus einen Namen gemacht. Sie ist bekannt für ihre leckeren Bierkreationen. Das junge Unternehmen setzt auf handwerklich gebrautes Bier und eine Erlebnisbrauerei, um eigenes Bier mit eigenem Label zu brauen. Wieder möchte Inselbier trotz schwieriger Zeiten ein weiteres positives Zeichen setzen und gemeinsam mit interessanten Akteuren aus der Bodensee-Region neue Perspektiven schaffen, um noch lokaler und noch nachhaltiger unter Beteiligung von verschiedensten Kooperationspartnern und der Öffentlichkeit zu werden. Auch bei der Weiterentwicklung der eingesetzten Brauerei-Technologie ist Ressourcenoptimierung in der Zielsetzung. Wir haben mit Sigrun Bundschuh, einer der GründerInnen von Inselbier gesprochen.
Frau Bundschuh, bitte stellen Sie Ihr neuestes Projekt bei Inselbier vor?
Bei unserem neuesten Projekt geht es um das erste Bio Alkoholfrei vom Bodensee. Es ist tatsächlich das erste alkoholfreie Bodensee-Bio-Bier überhaupt und wird zudem mit 100 % lokalen Rohstoffen gebraut werden: Wasser aus dem Bodensee, Gerste aus dem Hegau und Hopfen aus Tettnang. Bei diesem Projekt setzen wir auch zum ersten Mal auf finanzielle Unterstützung durch die Öffentlichkeit in Form von Crowdfunding und Patenschaften.
Team Inselbier im Hopfengarten
Bild 1: Das Team von Inselbier auf dem neuen Hopfenacker auf der Reichenau. Von links: Juliana Woern, Braumeister Benedikt Wabnig, Sigrun und Thomas Bundschuh
Gibt es noch weitere Besonderheiten?
Ja, mit diesem Projekt erreichen wir noch lokaler und damit noch nachhaltiger zu werden, indem wir einen Hopfen-Testanbau auf der Reichenau realisieren. Dadurch werden Perspektiven für junge Gärtner zwischen Tourismus und Hopfenanbau geschaffen. In diesem Sommer bauen wir auch den ersten Biogersten auf ca. 1 ha auf der Klosterinsel in Kooperation mit lokalen Biolandwirten an. Das gab es noch nie: Gerste, Hopfen und Brauwerkstatt im Umkreis von 500 m auf der Klosterinsel!
Für die technische Umsetzung gehen Sie auch neue Wege, wie sehen diese aus?
Wir arbeiten mit dem Hersteller der Entalkoholisierungsanlage, eine kleine Firma aus Württemberg und der HTWG Konstanz zusammen. Die bereits vorhandene Technologie soll so weiterentwickelt werden, dass zum einen der Wasser- und Energieverbrauch optimiert wird und zum anderen kleinere lokale Braustätten Zugang zu dieser Technik erhalten.  Mit unserem Konzept wollen wir also andere kleinere Brauereien unterstützen und zu nachhaltigem Wirtschaften anregen, indem auch sie auf regionalen Anbau setzen.
Was würden Sie sagen, was unterscheiden Ihre Biere und Projekte von anderen Brauereien?
Gute Biere machen auch andere - wobei im Bereich der kreativen Biere wie Ales, Stouts, Grüngehopften usw. sind wir doch in weitem Umkreis die einzigen Brauer, die solche Biere ins Zentrum Ihres Bier-Portfolios setzen. Und bei unseren Projekten war und ist es unser Ziel immer herauszufinden, ob es noch regionaler und nachhaltiger geht und dabei auch neue Perspektiven für andere Akteure geschaffen werden können.
Wir würden das gerne so zusammenfassen...
1. wir lieben unsere Biere...
2. wir glauben an die Kraft von Zusammenarbeit und Kooperation...
3. wir träumen davon, Dinge zu verändern und Teil eines guten Veränderungsprozesses zu sein...
4. wir hoffen, dass wir aktive Mitgestalter bei allen unseren Projekten finden.
Bild 2: Braumeister Benedikt Wabnig an der Brauanlage
Ihre Firmenphilosophie „Innovationen und Kooperationen mit Gleichgesinnten für mehr Regionalität und Nachhaltigkeit “ steht bei allen Ihren Projekten im Vordergrund, wie kommt es zu neuen Projektideen?
Projektideen entstehen dadurch, dass wir in anderen Akteuren in der Region nie Konkurrenten sehen, sondern immer nur Chancen etwas gemeinsam zu bewegen. Wir laufen so nicht Gefahr, in eingefahrene Denkmuster und Silodenken zu verfallen. Ideen entstehen im Gespräch, in aller Regel wenn wir Besuch in der Brauwerkstatt haben und die Gäste den Innovationsgeist der Insel schmecken können.
Bei diesem Projekt setzten Sie zur Finanzierung auf Crowdfunding und Beteiligung der Öffentlichkeit, haben Sie auch Fördergelder beantragt? 
Wir haben bei ILE Fördergelder beantragt. Der Zeitaufwand war immens und leider waren wir nicht erfolgreich. Die Enttäuschung hinter einem Skaterpark im Ranking zu landen war groß. Bei der Antragsstellung wurden wir durch den Technologietransfer der IHK Hochrhein-Bodensee unterstützt. Ein herzliches Dankeschön gilt Johannes Dilpert, dem dortigen Technologietransferbeauftragten. Darüber hinaus wurden wir zum Thema Geschäftsfeldentwicklung auch durch die IHK Hochrhein-Bodensee beraten.
Neben Ihren Projektpartnern haben Sie in der Zwischenzeit einige Kooperationspartner über die Crowdfunding-Initiative gefunden, wer sind diese?
Wir konnten tatsächlich mehrere regionale Kooperationspartner für unser Projekt gewinnen, u.a. die Stadtwerke Konstanz, die Biomusterregion Bodensee, HegauKorn, das Gärtnercenter Reichenau, Locher-Hopfen Tettnang und der Hopfenanbauerverband Tettnang und natürlich eine Vielzahl von privaten Unterstützern. Das Crowdfunding-Verfahren ist bereits abgeschlossen, wir freuen uns jedoch jederzeit über weitere Unterstützer und bieten der Öffentlichkeit nach wie vor an, im Projekt „Bio Alkoholfrei“ mitzumachen.
Wie ist der aktuelle Projektstand und wann wird das neue Bier auf den Markt gehen?
Die erste Reichenauer Gerste wurde im Juli gedroschen und vor zwei Wochen konnten wir die Entalkoholisierungsanlage erfolgreich in unserer Halle testen. Das alkoholfreie Bier wird es in Kürze auf den Markt kommen.
Wir sind sehr gespannt auf den Geschmack des neuen Bieres, haben Sie noch weitere kreative und innovative Projektideen und Visionen für Ihr Unternehmen?
Aktuell planen wir für unseren Hopfengarten, der mit den eingesäten Blumenwiesen eine tolle Attraktion ist, Verkostungsaktionen und Angebote für Hobbybrauer zum Hopfenernten. Insbesondere auch zur Überwindung der Einbußen durch die Coronapandemie, arbeiten wir gerade auch an interessanten Angebotspaketen (Übernachtung + Event) gemeinsam mit lokalen Hotels.
Ein weiteres wichtiges Projekt für unsere zukünftige Ausrichtung ist der Aufbau von nachhaltigen Vertriebskooperationen mit der Winzergenossenschaft Reichenau und Stahringer Streuobstmosterei zur Erschließung der Märkte v.a. in Richtung Stuttgart.
Frau Bundschuh, vielen herzlichen Dank für das freundliche Interview, insbesondere auch dafür, dass wir in die Welt des Bierbrauens und Ihren Spirit eintauchen durften. Sehr spannend, wie Sie kontinuierlich und nachhaltig Ihre Visionen und Ideen realisieren. Sie zeigen sehr schön, wie wichtig Kooperationen und Technologie-Knowhow für die Fortentwicklung eines jungen Unternehmens ist. Wir wünschen Ihnen für Ihr tolles und kreatives Team alles Gute, für den Launch und die Vermarktung des Bio Alkoholfreien viel Erfolg. Werden Sie nicht müde, neue unkonventionelle Wege zu gehen und das Thema Nachhaltigkeit ins Zentrum ihres Handelns zu stellen!
Kontakt
Technologietransfer der IHK Hochrhein-Bodensee
Johannes Dilpert, Technologietransfermanager
Marketing und Öffentlichkeitsarbeit
Dr. Ulrike Bolz
Projektmanagerin Baden-Württembergischer Technologietransfer
IHK Reutlingen